Achtsamkeit

 

Bei welchen Tätigkeiten sind wir ganz bei uns? Was ist unser höchstes Glück? Hatten wir uns in letzter Zeit gefragt. 

Natürlich ist es gut zu wissen, bei welchen Tätigkeiten man Glück erlebt und mit sich im Reinen ist. Man kann darauf zurückgreifen, wenn es einem schlecht geht. In Krisenzeiten, in denen einem oft die Zeit und Kraft fehlt alles mögliche neu zu beginnen, was man angeblich tun soll, kann man verstärkt das machen, von dem man schon weiß: dabei komme ich zu mir.

Innerhalb der wissenschaftlichen Psychologie hat dieses zu sich kommen seinen Platz in der Achtsamkeitstherapie. Nicht, dass man nur achtsam sein kann oder soll bei Tätigkeiten, die einem gut tun, aber bei diesen Tätigkeiten erlebt man emotional schon die Hingabe und Konzentration, die zur Achtsamkeit gehören.

Achtsamkeitstherapie spielt vor allem eine Rolle in der Gesundheitspsychologie, dort, wo es nicht um Heilung von Krankheiten, sondern, obwohl man keine psychische Erkrankung hat, um eine Verbesserung des Befindens geht. Darüber hinaus ist sie wirksam zur Rückfallprävention bei Depressionen; unlängst zeigten Studien auch eine Verbesserung für Patienten mit immer wiederkehrenden Depressionen mit hoher Wirksamkeit. Man muss allerdings festhalten, dass die Achtsamkeitstherapie noch nicht bei anderen psychischen Krankheiten als wirksam evaluiert ist – also Achtsamkeitstherapie ist kein Allheilmittel gegen jede psychische Erkrankung, aber zur Steigerung des Wohlbefindens und Vorbeugung geeignet.
 

Die Glücks-Beiträge erzählen wie man z. B. beim Sport, Rasenmähen oder in der Musik schon die Konzentration und Hingabe erlebt, die Bestandteile der Achtsamkeitsübung sind, ohne dass es einem bewusst ist. In der Achtsamkeitsübung wird die fokussierte Konzentration, die man bei einer geliebten Tätigkeit von allein aufs Tun richtet, erweitert. Der verengte Winkel mit dem Fokus auf die Tätigkeit öffnet sich, wird immer weiter. Das muss von allein kommen, man lässt es nur zu. Genauso funktioniert das in der Achtsamkeitsmeditation, man konzentriert sich nur auf seinen Atem, Ein-Aus, zählt dabei beispielsweise immer wieder bis Zehn. Nach einer Zeit wird man alle möglichen Sinneseindrücke wahrnehmen, Geräusche, Temperatur, die einem davor nicht bewusst waren.

Bei Alkoholikern ist ein großes Problem, dass sie, wenn sie aufhören zu trinken, keine Frustrationstoleranz haben. Jede negative Wahrnehmung wurde mit dem Alkohol abgedimmt. So gesehen sind wir eine Gesellschaft, die nur aus Alkoholikern besteht, wir streben ständig danach, jedes noch so kleine negative Erleben abzufedern. Bei Unruhe geht man ihr nicht auf den Grund, sondern geht ins Internet; den eigenen Frust lässt man mit Vorliebe am Mitmenschen aus; bei emotionaler innerer Leere stopft man Essen in sich hinein. Auch die gesellschaftlich anerkannten Ausweichmanöver, die zwanghafte Optimierung des Körpers oder der Nahrung, das suchthafte Erreichenwollen eines höheren Lebensstandards, das immer Weiter immer Mehr vermindern unsere Fähigkeit Dinge anzunehmen und machen uns langfristig krank.

An der Stelle bürstet die Achtsamkeit gewaltig gegen den Strich, denn in ihr geht es darum alles anzunehmen (ohne es zu werten). Die Achtsamkeit, wie sie in die Therapie integriert wurde, kommt aus der fernöstlichen Meditation und nach buddhistischer Lehre geht der Weg zur Überwindung von Leid darüber, das Leid anzunehmen.

Und sehr schnell wird einem Leid in der Achtsamkeitsmeditation oder beim achtsamen Tun begegnen, das man durch Annehmen überwinden kann. Zum Beispiel, dass einem etwas wehtut (wenn man sich nicht ablenkt, kann eine kleine Sinneswahrnehmung sehr schmerzen ^^), oder dass die Konzentration einfach nicht klappen will, sondern man immer wieder in Gedanken abschweift. Von der Tücke der Umgebungsfaktoren beim achtsamen Arbeiten ganz zu schweigen.


Alles was ist, wertfrei wahr- und anzunehmen ist ein hohes Ideal, das, machen wir uns nichts vor, kaum jemand erreichen wird. Aber darum geht es auch nicht, sondern dass wir den Muskel trainieren. Der uns befähigt mit uns und unserer Umwelt achtsam umzugehen. Das zu erreichende Ziel ist nicht Perfektion (wie immer nach unserer Vorstellung), sondern wie die leider zur Floskel geronnene fernöstliche Weisheit lautet: Der Weg.

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© Christine Quindeau